Leitung: Dr. Simone Salzer und Prof. Dr. Annette Streeck-Fischer
Projektlaufzeit: 2010-2013
Frau Prof. Annette Streeck-Fischer ist für ihre mit Frau Dr. Salzer in Göttingen, Tiefenbrunn durchgeführte Studie „Störungen des Sozialverhaltens und der Emotionen“ mit dem Heigl-Preis 2014 ausgezeichnet worden.
Wir gratulieren herzlich!
Aus dem Zwischenbericht der Autorinnen
"In den letzten Jahren hat die Forschung im Bereich der psychotherapeutischen Behandlung
von Kindern und Jugendlichen sowohl quantitativ als auch qualitativ zugenommen (vgl.
Döpfner, 2003; Kazdin, 2002). Dabei ergaben sich in der Zusammenschau meist mittlere
bis hohe Effektstärken von durchschnittlich .70 (vgl. Kazdin, 2000a; Weisz et al, 1998).
Allerdings beziehen sich die meisten dieser Untersuchungen eher auf
verhaltenstherapeutische Interventionen. In den wenigen Studien zur analytischen bzw.
psychodynamischen Psychotherapie im Kinder- und Jugendbereich konnten zwar ebenfalls
mittlere bis hohe Effektstärken nachgewiesen werden (z.B. Fahrig, 1996; Kronmüller et al.,
2005; Trowe 11 , 2002), jedoch ist der Forschungsumfang bei diesen Verfahren wie gesagt
noch sehr begrenzt.
Aus Anträgen im Rahmen des Gutachterverfahrens ist andererseits erkennbar, dass gerade
Kinder und Jugendliche mit multimorbiden Störungen bzw. Frühstörungen mit
psychodynamischen Verfahren behandelt werden, da diese Arbeit dem therapeutischen
Ansatz entgegenkommt. Ausgehend von der Tatsache, dass gegenwärtig in der
ambulanten und stationären Versorgung solcher Störungen überwiegend die
psychodynamische Psychotherapie zur Anwendung kommt (Windaus, 2005) und die
psychoanalytischen Konzepte zur Theorie und Therapie in diesem Bereich viel zu bieten
haben, besteht hier ein hoher Forschungsbedarf.
Ein Kritikpunkt am derzeitigen Stand der Forschung betrifft außerdem die Tatsache, dass in
vielen Studien die rekrutierten Patienten nicht der klinischen Inanspruchnahmepopulation
entsprechen. Sie sind häufig weniger stark beeinträchtigt und haben seltener chronische
und komorbide Störungen (Kazdin, 2002). Somit erscheint es wichtig, vermehrt auch
kontrollierte Therapieevaluationsstudien durchzuführen, die eine höhere ökologische
Validität aufweisen und somit zusätzlich auf die klinische Realität übertragbar sind.
In der von uns durchgeführten Studie wird die stationäre psychodynamisch orientierte
Psychotherapie bei Jugendlichen mit einer kombinierten Störung des Sozialverhaltens und
der Emotionen evaluiert. Die manualisierte Behandlung entspricht dem in der Abteilung für
Klinische Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen des Asklepios Fachklinikums
Tiefenbrunn regulär bei diesem Störungsbild eingesetzten Vorgehen. Rekrutiert werden
Patienten, die sich in der Institutsambulanz der Abteilung vorstellen. Somit ist eine
Übertragung der Ergebnisse auf den klinischen Alltag gegeben.
2 Obwohl Verhaltensstörungen mit die häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und
Jugendalter darstellen, gibt es bisher kaum Untersuchungen zur spezifischen Wirksamkeit
der psychotherapeutischen Behandlung dieser Störungsgruppe (Kazdin, 2002; Winkelmann
et al., 2005; Wyschkon & Esser, 2006). Bisher existieren nur einige Studien aus dem
Bereich der Verhaltens- und Familientherapie (z.B. Brestan & Eyberg; 1998, Kazdin, 2000b;
Scott et al., 2001) sowie die Studien von Szapocznik et al. (1989, 1990) und Winkelmann et
al. (2005) mit einem psychodynamischen Therapieansatz. Deren Ergebnisse sind jedoch
aufgrund der kleinen Stichproben und diagnostischen Heterogenität nur begrenzt
aussage kräftig , so dass weitergehende Forschung dringend angezeigt ist.
Dies erscheint besonders wichtig, da Verhaltensstörungen mit zu den stabilsten Merkmalen
in der Entwicklung gehören und einen Risikofaktor für späteres aggressives und
delinquentes Verhalten darstellen (Alsaker & Bütikofer, 2005; Esser et al., 2000; Laucht,
2003; Petermann, 2003; Petermann et al., 1999; Petermann et al., 2001). Patienten, die
zusätzlich komorbide emotionale Störungen aufweisen, sind in der Regel noch stärker
global beeinträchtigt, sowie auch speziell in der Schule, zu Hause und hinsichtlich sozialer
Beziehungen (Ezpelata & Domenech, 2006). Sie weisen häufiger Belastungen auf Achse V
des ICD-10 auf (Becker & Schmidt, 2003a). Bei jungen Patienten mit Störungen des
Sozialverhaltens und emotionalen Störungen ist außerdem mit einem erhöhten Risiko für
Substanzmissbrauch zu rechnen (Becker & Schmidt, 2003b; Blomeyer et al., 2007;
DGKJPP, 2000; Fergusson et al., 2007; Pardini et al., 2007). Des Weiteren gilt zu
berücksichtigen, dass sich aus Verhaltensstörungen des Kindes- und Jugendalters bei
fehlender oder nicht erfolgreicher Behandlung in der Folge auch Persönlichkeitsstörungen
manifestieren können. Die kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen
steht beispielsweise in engem Zusammenhang mit der emotional-instabilen bzw.
Borderline-Persönlichkeitsstörung, auch wenn diese Diagnose nach den Kriterien des DSM
IV und ICD-10 erst ab dem 16. Lebensjahr vergeben werden soll. Diese Tatsache macht
die Evaluation störungsspezifischer Behandlungen im Kindes- und Jugendalter, die einer
solchen negativen Entwicklung entgegenwirken können, umso dringlicher (vgl. Herpertz
Dahlmann, 2006; Vloet et al., 2006). Bei einer schweren Ausprägung der Symptomatik und
einem chronifizierten Verlauf der Störung sind dabei häufig umfassende Behandlungen,
wie sie im stationären Setting angeboten werden können, erforderlich (Döpfner &
Lehmkuhl, 2002; Wagner et al., 2004)."
Inzwischen ist die Studie abgeschlossen. Ergebnisse finden Sie hier.
Oder in:
Salzer S, Cropp C, Jaeger U, Masuhr O, Streeck-Fischer A. (2013). Psychodynamic therapy for adolescents suffering from comorbid disorders of conduct and emotions in an inpatient setting: a randomized controlled trial. Psychological Medicine, FirstView Article November 2013, pp 1 – 10, DOI: 10.1017/S003329171300278X.